21/07/2024
DAS NEGATIVE EMPFINDEN bzw. das Empfinden und Wahrnehmen vom Negativen - bin ich deswegen ein böser Mensch?
Wenn ich (in meinen Augen) mit negativen Menschen zu tun habe, stürzt es mich immer wieder in eine Abwärtsspirale von (Selbst)Zweifel, (Selbst)Verurteilung und (Selbst)Zerfleischung. Den Weg heraus aus einer Art Sog (der Sog des schwarzen Loches) ist, trotz meiner Bewusstheit und Jahrzehnten langen Praxis immer wieder überraschend mühsam und beschwerlich. Wieder bei mir angekommen, muss ich automatisch an all die Menschen denken, die in die Falle solcher Abwärtsspirale eintauchen, kaum aber die (Bewusstheit)Chance haben zu erkennen, was mit ihnen los ist und wie sie dort wieder herauskommen können.
Warum das so schwierig ist, wenn es doch so einfach ist?
Weil auch Erwachende, Empathen, Sensiblen und Spirituelle meist gespickt sind mit alten spirituellen, esoterischen und psychologischen Floskeln, bzw. Halbwissen und Halbwahrheiten. Das morphogene Feld (das bestätigend über die unbewusste Ebene wirkt) dazu ist passend stark. Da Suchende scheinbar nichts anderes zur Verfügung haben, dienen ihnen vor allem dann solche „Weisheiten“ als Orientierung und Wegweiser, wenn eine offenbar glaubhafte Quelle diese "verifiziert" und als nachahmenswert preist. Eines solcher "Wahrheiten" ist der, Abwärtsspirale startender, verhängnisvolle Satz:
Alles was Du empfindest/wahrnimmst bist nur Du selbst!
Oder
Alles was Du empfindest/wahrnimmst ist Deine Energie!
Toll!
In heutiger Zeit kann man allein mit diesem einen Satz Millionen von erwachenden Menschen für Monate aus dem Verkehr ziehen! Brave Menschen verkriechen sich reumütig in ihr Schneckenhaus und versuchen Alles um den Fehler, warum sie nur so negativ empfinden, bei sich zu finden:
Was ist das, was mit ihnen noch nicht stimmt? Was müssen sie noch bearbeiten und erlösen?
Einmal auf dieses Pferd gesetzt, bejaht das spirituell-esoterisch-newage-morphogene Feld mit voller Wucht die Notwendigkeit, solches selbstzerfleischenden Rückzugs. Ohne Rücksicht auf Verluste, einfach endlich die eigene, tief versteckte Negativität finden! Dann, dann kommt endlich die Erlösung, passende Schwingung, Nirvana oder was auch immer sich wer so sehnlichst wünscht.
Das Problem!
Die Abwärtsspirale. Man verstrudelt sich immer tiefer. Sie ist bodenlos, das Ende nicht in Sicht. Der Würgegriff der Selbstzerfleischung wird immer enger, bis man kaum mehr bei Sinnen, geschweige denn bei Bewusstsein keine Instrumente mehr übrighat, um aus eigener Kraft wieder zu sich zu kommen. Oft taucht man nämlich auch geistig und energetisch tiefer in die fremde "Abgründe" die man so gewillt ist zu lernen zu lieben. Der erste Kurzschluss dabei: Umso ehrlicher man sich bemüht die Wahrheit zu erkennen, umso weniger kann man Liebe dort zu empfinden, wo keine ist, weil sie der andere dort z.B. nicht haben will. Es ist so, als würde man beim Regen n***t auf die Straße rennen und versuchen nicht nass zu werden, gar die Nässe nicht als Nässe wahrnehmen, weil sie z.B. als etwas Negatives eingestuft ist. Mist man den Grad der eigene Erleuchtung daran, wie weit man bereits fähig ist, die Nässe als Trockenheit zu empfinden um sie lieben zu können, kommt man wahrscheinlich nicht sehr weit.
Der "Verstands-Fake":
Stelle Dir vor, Du lebst in einem Regenwald und der Regen gehört täglich zu Deinem Leben. Du registrierst ihn kaum. Du bist so und so immer nass (aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit). Erst wenn es so richtig schüttet, sprichst Du überhaupt von einem Regen. Später ziehst Du in die Stadt um, gehst durch die Straßen und siehst, wie sich Menschen verstecken, weil es angeblich regnet. Aber wo? Wo soll der Regen sein? Und wie stark, dass sich alle verstecken? Du siehst den Regen nicht, bist doch noch überhaupt nicht nass, also was soll der ganze Zirkus? Oder stimmt etwas mit Dir nicht? Bist Du blind geworden oder fühlst gar nichts mehr?
Im nächsten Leben wirst Du in einer Wüste geboren. Bei den ersten winzigen Regentropfen gehen Menschen auf die Straße und tanzen von Freude. Zum ersten Mal spürst Du, wie sich auch einen einzigen Regentropfen lebendig an Deiner Haut. Du spürst die Nässe, die Kühle, die lebensspendende Erfrischung. Du bist ganz begeistert, jetzt hast Du eine feinere Bewusstheit für den Regen erworben. Und dann kommt es!
Im nächsten Leben wirst Du spirituell und man erzählt Dir, dass Du all das bist, was Du empfindest/wahrnimmst – es spiegelt Dich sozusagen. Mit Deinem, über viele Leben sensibilisieren System läufst Du durch die Welt und empfindest auch Vieles, was sich nicht angenehm anfühlt. Es tut oft sogar weh oder macht Dir Angst oder Du wirst sehr traurig. Dann besuchst Du eines Tages den Regenwald und auf einmal fühlt sich jeder Regentropfen viel intensiver an (als es in Deinem Unterbewusstsein gespeichert ist), manchmal sogar (lebens)bedrohlich. Was soll das? Du hast doch den Regen geliebt! Was stimmt jetzt schon wieder nicht mit Dir? Warum magst Du auf einmal das regenreiche Donnerwetter nicht?! Warum bist Du so ängstlich, ablehnend, negativ dem gegenüber? Wie tief musst Du in Dich gehen und wie lange musst Du an Dir arbeiten, bist Du den sumpfigen Regen wieder nicht bedrohlich, gar als gar nichts empfindest? Welche spirituellen Praktiken brauchst Du und wie lange um sie zu üben, bis Du beim Regen erneut auf die Straße gehen kannst und statt dem Regen den Sonnenschein empfinden und wahrnehmen kannst???
Verstehst Du, was ich meine?
Ab gewisser Entwicklungsstufe beginnen wir uns nämlich ähnlich idiotisch verhalten – ein seltsamer Entwicklungsfortschritt ;) Durch irgendeine schleierhafte Eingebung versuchen wir, das, was wir als negativ empfinden, positiv zu sehen!
Die von mir so oft besprochene verkehrte Logik spielt uns diesen Streich. Wir glauben, wenn wir noch entwickelter wären, dann würden wir nicht mehr negativ empfinden. Man könnte uns die Hand abhacken und wir würden weiterhin nur Liebe empfinden. Oft geschieht jedoch (der Umkehrung der verkehrten Logik entsprechend) das Umgekehrte: umso entwickelter, umso intensiver empfinden wir die schon so und so vorhandene „Reize“, Emotionen, Gedanken und ihre Färbungen. Die Entwicklung spiegelt sich vor allem darin, wie wir damit umgehen und was wir daraus machen.
Das Problem ist die berühmte Relativität, wie ich es am Regenempfinden im Regenwald und in der Wüste versucht habe aufzuzeigen. Das was wir bereits fähig sind als uns unangenehm, nicht förderlich gar destruktiv wahrzunehmen, empfinden nämlich andere oft noch längst als ok und sogar konstruktiv! Dieser Fakt verunsichert uns! Wieso kann jemand stundenlang im kalten Regen stehen und spürt nichts, obwohl er schon schnieft, hustet und durchgefroren ist?
Die Tatsache ist, die Grenzen (das Empfinden und Wahrnehmen und Einordnung) sind bei menschlichen Wesen verschieden eingestellt. Ich nehme z.B. von jemanden bedrohliche Aggressionen wahr und er selbst wundert sich nur, falls man es anspricht. Nein, er meint sich sogar total gechillt, warum unterstelle ich ihm also so etwas Böses?! Was stimmt nicht mit mir?!
Und die Spirale beginnt sich abwärtszudrehen:
Was hat das mit mir zu tun?
Wo habe ich in mir Aggressionen, die ich noch nicht erkannt habe?
Wie kann ich sie erkennen und heilen?
Mit anderen Worten: Wie kann ich nächstes Mal keine unterschwelligen Aggressionen mehr von diesem Menschen empfinden?
Das was oft verschleiert und vergessen bleibt ist, dass der als aggressiv Empfundene, selbst in sich noch viel höhere Stufen von (eigener) Aggressivität kennt und sich somit in dem Moment schon als besonders ruhig empfindet, obwohl unsere eigenen Alarmglocken läuten.
So komme ich zurück zum Anfang und sage, dass uns der Satz: "All das was wir empfinden unsere Energie ist" weniger Probleme bereiten würde, wenn er ungefähr so lauten würde:
„Mit Hilfe Deiner Energie und so wie Du bereits bist, bist Du fähig all das zu empfinden und wahrnehmen, was Du bereits fähig bist zu empfinden und wahrzunehmen.“ Mit anderen Worten, wenn Deine Energie entdichteter und feiner, Deine Erfahrung tiefer und vielfältiger sind, dann empfindest Du bereits früher und intensiver, gar vorbeugender als manche andere.
21.07.2022 -kh-